Bundesgericht bestätigt die disziplinarische Bestrafung eines schweizerischen Rechtsanwalts wegen des mehrfachen Verstosses gegen die anwaltliche Berufsregel von Artikel 12 lit. c des Anwaltsgesetzes (BGFA)

Ein in der Schweiz zugelassener Rechtsanwalt hat in verschiedenen straf- und zivilrechtlichen Verfahren vor schweizerischen Gerichten gleichzeitig die anwaltliche Vertretung von Gesellschaften sowie eines Organes dieser Gesellschaften übernommen, obschon die Interessen der mandatierenden Parteien nicht gleich gerichtet waren.

Gemäss Artikel 12 lit. c des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz; BGFA) müssen Anwältinnen und Anwälte jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen, vermeiden. Eine Anwältin oder ein Anwalt darf mithin keinen Dritten vertreten, dessen Interessen diejenigen eines Klienten in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnten – selbst dann nicht, wenn dieser Klient der Vertretung des Dritten zugestimmt hat.

Das Bundesgericht führt in seinem Urteil (BGer 2C_999/2020 vom 8. Dezember 2021) aus, dass für die Verletzung von Artikel 12 lit. c BGFA ein konkretes Risiko eines Interessenkonflikts gegeben sein muss. Eine gemäss dieser anwaltsrechtlichen Bestimmung unzulässige Doppelvertretung muss nicht zwingend das gleiche formelle Verfahren oder direkt zusammenhängende Nebenverfahren betreffen. Sofern zwischen gerichtlichen Verfahren ein Sachzusammenhang besteht, so liegt dann ein Verstoss gegen diese anwaltsrechtliche Bestimmung vor, wenn ein Anwalt Klienten vertritt, deren Interessen nicht gleich gerichtet sind.

Gemäss Artikel 12 der Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbandes (SAV ¦ FSA) müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte das Mandat gegenüber allen betroffenen Mandanten niederlegen, wenn es zu einem Interessenkonflikt kommt, wenn die Gefahr der Verletzung des Berufsgeheimnisses besteht oder die Unabhängigkeit beeinträchtigt zu werden droht.

Urteil vom 8. Dezember 2021 (2C_999/2020) der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des schweizerischen Bundesgerichts

Bundesgericht heisst das Revisionsgesuch des chinesischen Schwimmers Sun Yang gegen die Besetzung des TAS gut.

Der Internationale Sportschiedsgerichtshof (Tribunal Arbitral du Sport ¦ TAS) hatte Sun Yang, mehrfacher Schwimm-Olympiasieger und -Weltmeister, am 28. Februar 2020 mit einer achtjährigen Sperre belegt, weil er sich bei einer unangekündigten Dopingkontrolle an seinem Wohnsitz im September 2018 geweigert hatte, Blut- und Urinproben abzugeben. (CAS 2019/A/6148 World Anti-Doping Agency v. Sun Yang & Fédération Internationale de Natation)

Wegen Befangenheit des vorsitzenden TAS-Schiedsrichters Franco Frattini wurde das von Sun Yang am 15. Juni 2020 beim Bundesgericht eingereichte Revisionsgesuch gutgeheissen und der Schiedsspruch des TAS vom 28. Februar 2020 aufgehoben. Das TAS wird im Dopingverfahren gegen Sun Yan Sun Yang deshalb in anderer Besetzung neu entscheiden müssen.

Schriftliche Begründung des Urteils im Fall Sun Yang (4A_318/2020: Arrêt du 22 décembre 2020 – Ire Cour de droit civil)

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