Bundesgerichtsentscheid (8C_762/2014): Dirt Biken gilt als "absolutes Wagnis"

By Land Law

Ein 29-jähriger Strassenbauer stürzte 2014 im “DirtCastel” des von einem lokalen Rotary Club mitfinanzierten “Hammerparks” unter der Autobahnbrücke in Lenzburg mit seinem Dirt Bike beim Dirt Jumpen und zog sich einen Knochenbruch am linken Handgelenk zu.

Die SUVA übernahm als obligatorischer Unfallversicherer die Heilbehandlung des verletzten Dirt Bikers, kürzte jedoch dessen Anspruch auf Taggeldleistungen in Anwendung von Artikel 39 UVG (Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung) und Artikel 50 UVV (Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982) um 50 Prozent, weil sich dieser – nach Ansicht der SUVA – einer “besonders grossen Gefahr” ausgesetzt habe, “ohne die Vorkehren zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Mass beschränken“.

Gegen diese Leistungskürzung der SUVA erhob der gestürzte Dirt Biker Einsprache beim Kantonsgericht des Kantons Luzern. Mit Urteil vom 4. April 2014 hiess das Kantonsgericht Luzern die Einsprache gut und sprach dem Betroffenen die vollen Taggeldleistungen zu, weil dieser (1) Dirt Biken nicht renn-, sondern hobbymässig betrieb, (2) alle Vorsichtsmassnahmen getroffen hatte, (3) sich an die Parkregeln gehalten und (4) die Schutzausrüstung getragen hatte. Das Kantonsgericht des Kantons Luzern beurteilte in seinem Entscheid Dirt Biken generell als eine mit Rollbrettfahren oder Snowboardabfahrten vergleichbare Sportart, welche – wenn diese nur hobbymässig und ohne Forcieren besonderer akrobatischer Einlagen ausgeübt werde – nicht mit grossen Gefahren für Leib und Leben verbunden sei.

Das Bundesgericht beurteilte den Fall (und das Gefahrenpotential der Sportart Dirt Biken generell) auf Beschwerde der SUVA jedoch anders, bestätigte die Verfügung der SUVA zur Kürzung der Taggeldleistungen um 50 Prozent und hob das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 4. April 2014 auf.

Das Bundesgericht hielt zusammenfassend fest, dass “auch das bloss hobbymässig betriebene “Dirt-Biken” ein grosses Sturz- und Verletzungsrisiko in sich birgt. Dieses lässt sich in der Praxis nicht auf ein vernünftiges Mass reduzieren, da es bei dieser Sportart gerade darum geht, möglichst spektakuläre Tricks auszuführen, und einzig der Sportler selber darüber entscheidet. Akrobatische Einlagen gehören auch zu dieser Sportart, wenn sie nicht wettkampfmässig betrieben wird. “Dirt-Biken” unterscheidet sich vom Befahren einer Halfpipe schliesslich in den möglichen Folgen eines Sturzes sowie dadurch, dass der Sportler durch die Metallteile seines Bikes zusätzlich gefährdet wird.
Ist das erhebliche Gefahrenpotenzial nicht auf ein vernünftiges Mass reduzierbar, muss “Dirt-Biken” als absolutes Wagnis bezeichnet werden. Vorbehalten bleibt das Biken auf Gelände oder Anlagen, die eigentliche Dirt-Jumps gar nicht zulassen.
Der Versicherte hat seine Sprünge, die zum Unfall geführt haben, auf einer speziell hiefür vorgesehenen Anlage ausgeübt. Diese lässt Sprünge im obgenannten Sinne zu, deren Gefährdungspotenzial nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden kann. Er ist daher ein absolutes Wagnis eingegangen.